Das kostbarste aller Güter / Flow - Trickfilm-Doppelwhopper am 06.03.
Zwei Animations-Filme aus europäischer Produktion starten aktuell Seite an Seite im deutschen Kino - die jeweiligen Regie-Maniacs dahinter verpacken sehr ernste Inhalte in eine - zumindest streckenweise - märchennahe Erzählform.
Das kostbarste aller Güter
Studiocanal - D-Kinostart 06.03.2025
Der Animations-Stil, nach Hazanavicius' eigenen Zeichnungen, erinnert an Holzschnitte, hart und bruchstückhaft. Dazu kommt ein Spiel mit Schärfe und Unschärfe, das den Blick auf Details lenkt und eine insgesamt recht märchenhafte Atmosphäre schafft. Im Zusammenklang mit verwaschenen Braun- und Blautönen vermitteln die Bilder eindrücklich die Kälte des Waldes, die Kargheit der Hütte, die Feindseligkeit der anderen Holzfäller.
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TIPP |
Es war einmal... in einem großen Wald, da lebte eine gütige, gläubige Frau in ärmlichen Verhältnissen mit ihrem Mann, dem Holzfäller, in einer Hütte. Eines Tages, als der Schnee in dicken Flocken vom Himmel fiel, kam ein Zug vorbei, so wie jeden Tag. Aus dem Zug wurde ein Bündel geworfen. Darin eingebettet lag ein Baby. Die Frau, die sich nichts sehnlicher wünschte als ein Kind, glaubte an ein Wunder und nahm das Baby bei sich auf, gegen den Willen ihres Mannes. Denn es war die Zeit des Krieges und die Menschen in den Zügen gehörten zum Volk der angeblich „Herzlosen“ – und das Ziel ihrer Reise war der sichere Tod...
Mit Das kostbarste aller Güter thematisiert Regisseur und Oscarpreisträger Michel Hazanavicius (The Artist), selbst Enkel von aus Litauen stammenden Juden, die Shoah – die Ermordung von ungefähr sechs Millionen Juden und Jüdinnen in Europa durch die deutschen Nationalsozialisten. Er verpackt sein bewegendes Drama über Mitgefühl und Menschlichkeit in eine scheinbar naive Fabel über die Rettung eines Kindes, in wunderschön animierte Bilder, ohne den historischen Kontext – Polen im Winter 1943 – oder den allgegenwärtigen Antisemitismus, explizit zu benennen.
Der Score des zweifach oscargekrönten Komponisten Alexandre Desplat (Grand Budapest Hotel, The Shape of Water) passt gut zu den atmosphärisch meisterhaft komponierten Bildern im Stil einer Graphic Novel.
Nach der Premiere in Cannes 2024 reiste Michel Hazanavicius wochenlang durch Frankreich, um seinen Film in Schulklassen zu zeigen und mit den Jugendlichen in Diskurs zu kommen. * Youtube Trailer * Imdb Filmsite * |
flow
MFA Film - D-Kinostart 06.03.2025 - Oscar für den besten Animations-Langfilm 2025
![]() * Trailer * Verleih-Film-Website *
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TIPP |
Schon ein starkes Stück, dass sich bei der kürzlichen Oscarverleihung diese lettisch-frankobelgische Indie-Produktion gegen Pixar & Dreamworks-Konkurrenz durchsetzen konnte. Flow war dabei nicht nur als Bester Animationsfilm, sondern ebenfalls sogar als bester internationaler Film nominiert (auch wenn es beim Sieg in der erstgenannten Kategorie blieb).
In einer dystopischen Zukunft, in der nur vereinzelte Ruinen noch von menschlicher Zivilisation zeugen, verschlägt es eine junge Katze - inmitten sintflutartiger Wassermassen - in ein verlassenes Boot. Dort bildet sich eine Zufallsgemeinschaft aus ebenfalls - im Wortsinne - vertriebenen Kreaturen: zur überforderten Hauptfigur gesellen sich nacheinander ein stoisches Wasserschwein, ein gutmütiger Golden Retriever, ein sammelwütiger Katta-Lemur, sowie ein zum Steuermann prädestinierter Sekretärsvogel. Ohne zu wissen, wie weit das Wasser steigen wird, folgen die Kinobesucher dem ungleichen Schiffbrüchigen-Fünfer gespannt bis zum - hier nicht gespoilerten - Ende.
Der 30-jährige, lettische Regisseur, Produzent & Art Director Gints Zilbalodis hat in Personalunion neben dem Arche Noah-Elemente weiterspinnenden Drehbuch, Kamera & Schnitt auch noch die Filmmusik beigetragen und verlässt sich ganz auf die Kraft seiner Stilmittel. Es gibt keine Erzählstimme, die Vermenschlichung der Tiere bleibt vergleichweise dezent.
Der lettische Oscar-Preisträger mit gutem Timing: sein fabelhaftes Plädoyer für Gemeinschaft & Zusammenarbeit - trotz aller Unterschiede - ist angesichts der ernsten Weltlage sehr willkommen. Repetitive Erzählweise - die halbstarke Katze geht auffallend oft über Bord. Die Kombination aus quasi fotorealistischen Hintergründen (inklusive bestechender Licht- & Wassereffekte) mit reduziert-einfacher Cel-Shading-Animation der Tier-Protagonisten irritiert zunächst stellenweise, etwa beim pixeligen Fell der Katze - disneyfizierte Standards wirken eben in den Sehgewohnheiten der meisten Betrachter. Mit der Zeit aber wächst die Akzeptanz für Zilbalodis’ ganz eigene Handschrift. ♦ sr |
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