REVIEWS ELECTRO 02/03-2017
Thievery Corporation - The Temple of I & I
esl / Rough Trade
Shows in G/A/S: 20.02. CH-Basel – Kaserne , 24.02. Berlin – Astra , 26.02. AT-Wien – Konzerthaus , 28.02. Frankfurt – Batschkapp |
LIVE-TIPP
& TIPP |
Acht Studioalben in 20 Jahren voller Downbeat-, Lounge- und Nu-Jazz-Trademark-Sounds - gar nicht mal soo viele, möchte man meinen. Doch die Thievery-Anteileigner Eric Hilton & Rob Garza mit ihrem Team aus Washington treiben eben auch einigen Aufwand. Für Katalog-Nummer esl.222 ging es extra in die Karibik - genauer in die kleinen feinen Gee Jam Studios (Teil des gleichnamigen Luxus-Hotels) bei Port Antonio, Portland, Jamaica, wohlgemerkt mit eigener Live-Rhythm-Section. Trotz gewohnter Vielfalt der Ingredenzien ist der Off-Beat-Einfluß noch einmal gewachsen, was sich im Album-Titel und in der Cover-Collage inklusive Sound Systems-Boxentürmen, bouncenden Afro-Ladies & Air Jamaica-Jet widerspiegelt. Die Optik liegt nochmal extra als großformatiges Poster bei. The Temple Of I&I atmet hör- & sichtbar den Spirit Jamaikas und klingt wie eine Fortsetzung des Debüts Sounds From The Thievery Hi-Fi von 1996 (incl.38.45). |
Bonobo - Migration
Ninja Tune / Rough Trade
Simon Green aka Bonobo hat das Spektrum der Einflüsse auf seine Musik ebenfalls hörbar erweitert, passend zum Album-Thema Migration. Zwischen Tonspuren mit Gesang (Milosh von Rhye, Nicole Miglis, Nick Murphy), Field Recordings und vom Computer kreierten Loops findet sich hier auch World Music: Die mittlerweile in New York ansässige marokkanische Band InnovGnawa ließ Green die Vocals zum housigen Track Bambro Koyo Ganda einsingen. Beteiligte Künstler und deren Werdegänge führen in Migrationslinien um die ganze Welt, die außerirdisch anmutenden Landschaften des Cover-Artworks (aktuell Teil diverser Murals in NY) fanden sich allerdings in Kalifornien, unweit von Greens derzeitiger Homebase. Mit dem neu fabrizierten, sechsten Album im Gepäck geht Green nun auch eine ausgedehnte Tour, alle vier Konzerte in Deutschland (15.-18.02.) sind ausverkauft, am 12.03. kommt das Projekt noch einmal in die Nähe: nach Zürich (Volkshaus) http://bonobomusic.com Kerala-Videoclip mit Gemma Arterton. |
LIVE
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Tosca - Going Going Going
!k7 / Indigo
Macht ja fast schon eine Art Downbeat-Revival - auch bei den Thievery-Kollegen in Sachen smarter Loungebeschallung stehen die Zeichen auf Rückkehr zu den Wurzeln. Die ebenfalls dub-affinen Herren R. Dorfmeister & R. Huber sind heuer beim zehnten Tosca-Album angelangt und wollen aus neuem Blickwinkel an die eigene Vergangenheit anknüpfen. Auf ihrem 2017er Update Going Going Going gibt es vieles, was vertraut klingt, aber auch eine eher unerwartete Interpretation des America-Westcoast-Klassikers A Horse With No Name namens Dr. Dings. Das prominente Wiener Electro-Duo diesmal fast ohne Gastsänger, nur am Ende schaut doch mal Rob Gallagher aka Earl Zinger am Mikro vorbei. Bei all den Eigenreferenzen bliebt das nicht ohne Wiederholungen, aber noch mit diesem Händchen für Gefälliges im Background . Und wahrscheinlich stört R&R ein Alan Parsons-Vergleich bei Tracks wie Friday oder Supersunday mittlerweile weniger als vor Jahren. Play Tracks 1, 3 7, 8, 10, |
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Future Sound of Jazz 13
Various Artists - Compost / Groove Attack
Compost-Gründer Michael Reinboth hat die Zeit gefunden, eines der besten Pferde im Stall neu zu satteln - auf zwei Cds (oder 4 LPs) präsentiert das Label aktuell das 13. Kapitel der in Fachkreisen seit 20 Jahren geschätzten Future Sounds of Jazz- Compilation-Serie, ganz in gelb-schwarz gehalten vom 27-jährigen Münchner Designer Paul Putzar. Wie gewohnt finden sich sowohl eingängige als auch experimentellere Tracks, Cinematisches und Beat-Getriebenes, übliche Verdächtige & Überraschungen in Reinboths jüngster Bestandsaufnahme des Electro-Geschehens, eben: Future Jazz, possibly. Lohnend, auch wenn zunächst nicht alle Tracks über die volle Spielzeit zu fesseln vermögen. FSoJ 13 beinhaltet dabei fünfmal vorher unveröffentlichtes Material, u.a. vom Kollegen Peter Kruder oder guten Bekannten wie Marsmobil. Die Pause bis zu Folge 14 soll erklärtermaßen weniger lang ausfallen. Play Tracks I - 1-6, ; II -4, 10. |
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Vitalic - voyager
Caroline / Universal
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"Waiting for the stars..." Mit seinem vierten, bisher wohl disco-lastigsten Album Voyager begibt sich Pascal Arbez-Nicolas aka Vitalic auf einen Analog-Synthie-Trip. Der Electro-Producer arbeitet sich seit Mitte der Neunziger manisch weiter vor in seinen, von ihm selbst als Metal Disco oder Fuzzy Disco bezeichneten Soundkosmos. Voyager mit seinem retro-futuristischen Cover wurde während der letzten zwei Jahren geschrieben und aufgenommen. Der Sternentrip führt durch diverse poppig-eingängige Passagen und Synthieflächen (das gute alte Lips Inc.-Stück Funkytown lässt insbesondere bei Track 6, Lightspeed, ungefragt grüßen) - und kennt jemand noch Magic Fly? Der Monsieur lässt die Achtziger hochleben. Mit Don´t leave me now beendet eine synthetiische Version des gleichnamigen Supertramp-Stücks das Album. www.vitalic.rg www.vitalicvoyager.fr/ |
Yuksek - Nous Horizon
Partyfine / Alive
Nous Horizon - Unser Horizont? Neuer Horizont? Was hat der französische Disco- & Electro-Pop-Schrauber Yuksek wohl gemeint beim Titel seines dritten Longplayers? Jedenfalls frickelt hier niemand allein im Studio vor sich hin - Sängerin Monika, Roman Rappak von Breton und das französische Duo Her liefern Beiträge zum Horizonte-Longplayer des bei schwergewichten Acts aktuell schwer begehrten Remixers (Lana del Rey, Phoenix, M83, Gorillaz, Empire of the Sun), der sich im Spannungsfeld von Post-Disco, House, Electro und Pop bewegt. Das wirkt gleich im ersten Hör-Durchgang sehr eingängig und tanzbar - ohne Berührungsängste voll auf die kommerzielle Zwölf produziert. Mal funky, mal elektropoppig, immer melodisch, ohne zu platt zu wirken. Hier kommt auch souveränes Handwerk ins Spiel - ohne dass man sofort darauf käme, aber der Mann ist auch klassisch ausgebildeter Pianist und Film-Komponist. |
TIPP |
Dreadzone - Dread Times
Dubwiser Records
Dreadzone-Mastermind Greg ´Dread` Roberts war Schlagzeuger bei Ex-Clash-Gitarrist Mick Jones´ Gruppe Big Audio Dynamite oder seinem Nachfolgeprojekt Screaming Target. Dread Times ist mittlerweile bereits das 8. Studio-Album von Roberts´ aktuellem Ensemble Dreadzone mit den Kollegen Leo Williams, Chris Compton, Earl 16 & Spee sowie das dritte, das über des Produzenten eigenes Label Dubwiser Records veröffentlicht wird. Die eklektische Mischung aus Trance-angetriebenem Dub mit Drum & Bass, Roots-Reggae-, Ambient-, Folk- und Rock-Anleihen funktioniert, solange nicht die Trance-Anteile überwiegen, was im zweiten Teil des Albums öfter der Fall ist. Play Tracks 1-5. Bis in den Sommer ist Dreadzone auf ausgedehnter Tour - allerdings vorläufig nur im UK... www.dreadzone.com |
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Brian Eno - Reflection
Warp / Rough Trade
Nach Drums Between The Bells (2011) und dem Grammy-nominierten Lux aus dem Jahr 2012 meldete sich Ambient-Meister Brian Peter George St. John le Baptiste de la Salle Eno gleich zweimal in kurzer Folge zurück. Anders als auf seinem 2016er Album The Ship sind auf Reflection keine Spoken Word- oder Gesangsparts zu hören. Das am Neujahrstag veröffentlichte neue Ambient-Album besteht nur aus einem über 54-minütigen Track, der als Fortführung von Enos so experimentellen wie stilbildenden Werken a la Discreet Music aus den 70er Jahren angelegt ist: sich sachte verschiebende, rhythmusfreie Cluster mit langem Nachklang & sparsam eingestreuten Nebengeräuschen. Nachschub an `Thinking Music´ - Soundscapes also, die eine Reflexion befördern sollen. Das Cover mit Enos angedeutetem Spiegelbild spielt mit der doppelten Bedeutung des Albumtitels. Erhältlich in allen gängigen Formaten sowie als generative App. www.brianeno.net |
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m.age.project - Tattoo Tara
Peacelounge Records / Alive
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Da ist zunächst mal dieses Cover, das die Berliner Tattoo-Künstlerin Thea Tralisch in bar ziert, als vielarmig-anmutige, zeitgemäß mit Smartphone und anderen Utensilien ausstaffierten Tara – weibliche Manifestation des Buddha. Dem dritten und wohl schrägsten Album des m.age.project., eines Steckenpferds von Matthias Harnitz, seines Zeichens studierter Jazz-Pianist und Bartzopfträger, dürfte eine gewisse Aufmerksamkeit garantiert sein. Harnitz schrieb schon für den Dalai Lama spirituelle Musik, die mit 400 Kindern und Jugendlichen bei dessen Besuch in Hannover 2013 aufgeführt wurde. Hier mischt Harnitz durchaus verisert einen esoterisch garnierten Tanzklumpen zusammen, der ebensoviele anziehen wie belustigen dürfte. Mal blöken die Schafe, es klingt die Elefantenglocke, es schwingt die Klangschale, schallt die Flöte - dann wieder regiert Berliner Minimal Techno oder Deep House unterschiedlicher Originalitätsgrade. Laut des langjährigen Heimatlabels Peacelounge gedacht als bewußtseinserweiternder Trip zwischen Dancefloor & Deep Listening .http://localmedia.de |
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