Nicht gedruckte Liner Notes Booklet Roter Kakadu

Im Gespräch mit Musikberater STEFAN RAMBOW

Sie sehen müde aus. Wenig Schlaf jüngst. Diese CD musste ja fertigwerden.

Hatten Sie dafür nicht genug Zeit seit dem Dreh 2004? Da fragen Sie mal in der Hauptstadt nach. Devisenmangel und so weiter. Bei der Musik wird es im deutschen Film öfter klamm.

Der Regisseur ist aus München, unsere Theo Schumann Combo wird von Bayern gemimt - Kann sich so eine Truppe denn was zur Musik-Historie der DDR erlauben? Hat man uns in der Dresdner Szene-Presse ähnlich vorwurfsvoll gefragt. Manche waren da so pikiert, die sind auch auf Einladung nicht an den Set gekommen. Ein paar kleine Mauerreste im Kopf, würde ich sagen. Ganz offensichtlich für Westler ein besonders faszinierendes Kunst-Biotop, Ihre DDR. Und kein Ende in Sicht. Tom Hanks will Dean Reeds Leben verfilmen, hab ich gehört.

Ach? Als West-Berliner bin ich ja mit Professor Flimmrichs Kinderkinostunden aufgewachsen. Und das Ost-Sandmännchen war im Vergleich zur SFB-Version klarer Punktsieger. Da wurde mit Liebe für Fernsehen & Kino gearbeitet, auch auf der Tonspur. Später habe ich mich der Musik der DEFA-Genre-Spielfilme - Indianer-, Märchen- & Weltraumstreifen - gewidmet.

(Singt) Ein Wigwam steht in Babelsberg... Da standen eher Riesenmengen Tonband-Rollen, meterhoch und verstaubt. Jedenfalls hatte ich offensichtlich noch nicht genug und mich gleich initiativ-beworben, als ich vom „Roten Kakadu“ hörte.

Worin bestand der Reiz des Projekts? Na ich bitte Sie. Beat-Vorläufer in der DDR – gedreht am Originalschauplatz – schon eine Steilvorlage in meinem Metier. Aber doch schwierig anzunehmen, wie sich rausstellte. Vor allem galt es, eine Film-Band zu finden, die Rock´n Roll & Schlagernahes im Geist von damals, aber auch mit einer gewissen Frische spielen konnte. Teamseitig wurden erst mal lokale Beat-Combos und reine Komparsen erwogen. Der selbst in den Stapfen seines Vaters musizierende Sohn von Theo Schumann & seine Schar waren zu alt für die Rollen. Ein Münchner Gig des vielseitigen Fünfers „Plan 9 (from Outer Space)“ überzeugte mich aber spontan. Diese Pioniere hab ich dann als „Plan Neun“ gegen anfängliche Bedenken durchgeboxt. Schauspieler Peter Schneider war als Sidemen der Sängerin gesetzt und im Film anstelle des etatmäßigen Bassisten der Band im Einsatz.

Und die Sängerin? Tanja Schleiff (aka Rena Doreen) hat sich an den Münchner Kammerspielen schon gesanglich hervorgetan, bevor Sie unser Studio, den Set und die Löffel gerockt hat. Respekt, kleine Dame.

Historisch korrekt ist das alles ja nicht gerade... Wie recht Sie haben. Im „Kakadu“ wurde zur Drehbuch-Sternzeit eher Unterhaltungsmusik & Jazz gespielt. Rock´n Roll und Beat kamen erst später, als die Mauer schon stand. Und die Theo Schumann-Combo war gerade eine der ganz wenigen Bands der DDR, die nach der offiziellen Beat-Ächtung durch das ZK mehrere Platten auf dem Staatslabel Amiga aufnehmen durfte und eben nicht wie im Film Auftrittsverbot bekam. Diese Karte hatten eher die Sputniks gezogen, die nach der Kosmonauten-Collage unsere CD eröffnen. Schon bei Michael Klier, in der ersten Drehbuch-Fassung war die bis 1961 im Kakadu tatsächlich gespielte Musik gegen die Rock´n Roll-Revolte getauscht worden. Kleiner dramaturgischer Kniff, Autor & Regisseur wollen schließlich eine Geschichte erzählen...

Danke, dass ich auch mal zu Wort komme - Ich meinte, die Schumann-Combo hatte doch wohl nie eine Sängerin ?
Sie sind aber hartnäckig. Hatten wir uns nicht schon auf künstlerische Freiheit geeinigt? Immerhin wurden mit diversen Sternchen schon mal Schlager der besseren Sorte aufgenommen, die Version der „Sieben Wunder“ von Ina Martell ermöglicht da reizvolle Vergleiche. Und erinnert mich an den tödlichen Blick, den sich Frontfrau „Rena“ von der am Set vorbeischauenden real existierenden Witwe von Theo Schumann, sonst die Liebenswürdigkeit selbst, eingefangen hat.

Sonst noch Anekdoten oder liebgewonne Erinnerungen? Die legendären Drehpausen-Darbietungen von Plan 9 im zum Kostümfundus umfunktionierten Hotelsaal, inmitten entfesselter, aus sächsischen Rock´n Roll-Clubs rekrutierter Komparsen. Da fiel es weniger auf, daß derweil in der tiefergelegten Club-Chefetage auch mal die Fetzen flogen. Ist doch ein gängiges Phänomen -nicht nur- im Sozialismus. Lieblich dagegen das spätsommerabendliche Elbflorenz und Begegnungen mit netten Drääsdnern.

Ein Kessel Buntes auf dieser Scheibe... Als da wären: die schon für den Dreh in Rekordzeit eingespielten Band-Tracks, einige Schumann-Combo-Originale und Löffelpolka im Club. Des weiteren Rundfunk- und O-Ton-Collagen. Die Konsum-Glitzerwelt des Westens vorgeführt zu den Klängen eines Vorkriegsschlagers. Ein Schuß Jazz. Dann der Exkurs in die Bombennacht des 2. Weltkriegs, zu Schleips dräuendem Orchester. Schließlich am Elbufer Anklänge an Morricone. Eine Herausforderung, all dies zum Wohle des Volkes zu verbinden. Die Beat-Anteile gehen im Verlauf der Liebesgeschichte stärker zurück, als wir das für den Soundtrack wollten. Nun gibt es Songs und Score – quasi in zwei Akten.

Wie dramatisch. Dramatisch war es eher, mein Rock´n Roll-Fähnlein zusammenzuhalten und gleichzeitig der Obrigkeit wo nötig die Stirn zu bieten. Frage an Radio Eriwan – Darf kleiner Funktionär grossen Funktionär kritisieren? Antwort: Im Prinzip ja – aber nur einmal. Zensur & Auftrittsverbot also nicht ausgeschlossen. Druck nonstop.

Oho. Sie wirken schon ganz gepresst. Letzte Worte? Freundschaft.

Freundschaft. Und danke fürs Gespräch.

Interview: Richart Flimm. Konspirativer Dank an Clemens Kerber & Isa Karfunkelstein.